Was ist ADHS?
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurologische Entwicklungsstörung bzw. Entwicklungsvariante, die durch die Haupt-Symptome Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist. Diese und weitere Symptome betreffen vor allem die exekutiven Funktionen des Gehirns, also die Fähigkeit, Aufgaben zu planen, zu organisieren und sich zu fokussieren. ADHS betrifft Kinder, Jugendliche und Erwachsene und hat einen signifikanten Einfluss auf viele Lebensbereiche.
Was ist Stress?
Stress ist eine physiologische und psychologische Reaktion auf Herausforderungen oder Bedrohungen, die den Körper in einen „Kampf-oder-Flucht“-Modus versetzen. Diese Reaktion kann kurzfristig hilfreich sein, um auf akute Gefahren zu reagieren. Andauernder Stress wiederum kann zu Kopfschmerzen, Verspannungen und Schlafstörungen führen. Wird Stress chronisch, können Probleme mit dem Verdauungssystem (Reizdarm / -magen), Magengeschwüre oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Psychisch kann es zu Depressionen, Burnout oder Angststörungen kommen.
Ähnlichkeiten zwischen ADHS-Symptomen und Stressreaktionen
Interessanterweise gibt es eine erhebliche Überlappung zwischen den Symptomen von ADHS und typischen Stressreaktionen. Sowohl bei ADHS als auch bei Stress treten Probleme mit der Konzentration, Impulsivität und emotionaler Reizbarkeit auf. Dies kann dazu führen, dass Stress und ADHS sich gegenseitig verstärken. Der berühmte Teufelskreis regiert bspw. in folgenden Bereichen:
- Konzentrationsprobleme: Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit über längere Zeiträume auf eine Aufgabe zu fokussieren. Stress verschlimmert diese Situation, da er die kognitive Leistungsfähigkeit reduziert, die Aufmerksamkeit weiter fragmentiert und dadurch die Konzentration weiter abbaut.
- Impulsivität: Stress kann die Selbstkontrolle und das rationale Denken beeinträchtigen, was zu impulsivem Verhalten führt – ähnlich wie bei ADHS. Personen mit ADHS neigen in stressigen Situationen noch mehr als ohnehin schon dazu, impulsiv zu handeln, ohne die Konsequenzen zu bedenken.
- Emotionale Dysregulation: Sowohl Stress als auch ADHS führen zu einer erhöhten emotionalen Reaktivität. ADHS-Betroffene erleben Emotionen oft intensiver. Unter Stress wird diese Reaktivität weiter verstärkt, was zu schnelleren Wutausbrüchen, Frustrationen und Stimmungsschwankungen führt. Kleine Frustrationen, die normalerweise handhabbar wären, können unter Stress zu starken emotionalen Reaktionen führen. Diese emotionalen Ausbrüche verstärken wiederum das Gefühl der Überforderung und tragen zu einem negativen Selbstbild bei, was Betroffene noch mehr stresst.
- Reizüberflutung und Stress: Eines der zentralen Merkmale von ADHS ist die Reizoffenheit. Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, unwichtige Reize auszufiltern, was zu einer ständigen Flut an Informationen führt. Diese Reizüberflutung erzeugt Stress, da das Gehirn überfordert ist und sich nicht auf die wichtigsten Aufgaben konzentrieren kann. Gleichzeitig verstärkt Stress die Reizempfindlichkeit, wodurch die Betroffenen noch empfänglicher für Reize werden. Dies führt zu einem ständigen Zustand der Überforderung.
- Exekutive Dysfunktion und Aufgabenmanagement: ADHS-Betroffene haben Schwierigkeiten, Aufgaben zu priorisieren und zu organisieren – ein zentrales Problem der exekutiven Dysfunktion. Wenn sie unter Stress stehen, verschlimmert sich diese Dysfunktion. Stress beeinträchtigt die Fähigkeit, klar zu denken und strukturierte Entscheidungen zu treffen, was dazu führt, dass noch mehr Aufgaben unerledigt bleiben. Die wachsende To-do-Liste erhöht den Druck, was den Stress weiter verschärft.
Stress verstärkt ADHS-Symptome
Stress wirkt auf neurobiologischer Ebene als Verstärker für ADHS-Symptome. Studien zeigen, dass chronischer Stress das Dopamin- und Noradrenalin-System beeinflusst – beides Neurotransmitter, die für die Konzentration und Impulskontrolle bei ADHS entscheidend sind. Wenn der Stresslevel steigt, wird das ohnehin schon gestörte Neurotransmitter-Gleichgewicht weiter verschoben, was ADHS-Symptome wie Impulsivität und Ablenkbarkeit intensiviert.
Wissenschaftliche Erklärungen: Stress als Verstärker der ADHS-Problematik
Der neurobiologische Ansatz zur Erklärung dieses Teufelskreises liegt in der Dysregulation der Stressachsen, insbesondere der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse), die bei ADHS oft empfindlicher reagiert. Chronischer Stress führt zu einer dauerhaften Aktivierung dieser Achse, was zu erhöhten Cortisolspiegeln führt. Diese wiederum beeinträchtigen das präfrontale Kortex, der für die exekutiven Funktionen verantwortlich ist, und verstärken die Unfähigkeit, klar zu denken, Entscheidungen zu treffen und Emotionen zu regulieren.
Fazit: Den Teufelskreis durchbrechen
Um den Teufelskreis aus ADHS und Stress zu durchbrechen, sind gezielte Strategien notwendig. Dazu gehören:
- Psychoedukation: Wissen über ADHS aneignen, Zusammenhänge begreifen, sich selbst in diesem Wissen einordnen.
- Stressoren reduzieren: Wo es möglich ist, sollten ADHS-Patienten bekannten Stresssoren ausweichen oder zumindest immer wieder kleine Rückzugsphasen einbauen.
- Achtsamkeitsübungen: Diese können helfen, den Geist zu beruhigen und die Reizüberflutung zu reduzieren.
- Strukturierter Alltag: Routinen und klare Strukturen können helfen, die exekutiven Dysfunktionen auszugleichen und das Stressniveau durch gewohnte Handgriffe und Abläufe zu senken.
- Therapie und Medikation: Psychotherapie, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie, sowie medikamentöse Behandlungen können helfen, sowohl die ADHS-Symptome als auch den Umgang mit Stress zu verbessern.
Die Interaktion zwischen ADHS und Stress ist komplex und oft selbstverstärkend. Aber mit den richtigen Strategien und einem tiefen Verständnis der neurobiologischen Mechanismen können Menschen mit ADHS lernen, Ihre Stressmuster zu erkennen und ihre Lebensqualität zu verbessern.