AuDHS

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AuDHS bezeichnet das gleichzeitige Auftreten von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Autismus-Spektrum-Störung (ASS) bei einer Person. Beide Störungsbilder gehören zu den sogenannten neurodivergenten Entwicklungsbesonderheiten und treten häufiger gemeinsam auf als lange angenommen: Studien zeigen, dass zwischen 30 und 50 % der Menschen mit ASS auch ADHS-Symptome aufweisen und umgekehrt etwa zwei Drittel der Menschen mit ADHS autistische Merkmale zeigen. Die Kombination beider Diagnosen wird als AuDHS oder auch als Komorbidität von ADHS und ASS bezeichnet.

Symptome und Diagnose

Symptomatisch gibt es teils Überschneidungen, wie z. B. Aufmerksamkeitsstörungen, Reizüberflutung und Ablenkbarkeit, interaktionelle Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen oder Defizite in den sogenannten Exekutivfunktionen. Diagnose und Behandlung der Kombination aus beiden neurologischen Profile sind daher komplex, da sie sich oft gegenseitig beeinflussen. So können bspw. ADHS-Symptome – wie Implusivität oder Novelty Seeking – autistische Verhaltensweisen – wie Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion oder repetitive Verhaltensmuser – überdecken und umgekehrt. Die Feststellung, ob eine oder beide Störungen (Komorbidität) vorliegen, erfordert Diagnostiker:innen, die in beiden Bereichen viel Erfahrung haben. Leider gibt es bis heute noch keinen Test / keine Methode, die es ermöglicht, das gemeinsame Auftreten von Autismus und ADHS „als eins“ zu diagnostizieren.

Alltagsherausforderungen und psychosoziale Belastungen

Menschen bei denen Autimsus und ADHS gleichzeitig vorliegen, erleben sich oft als widersprüchlich oder „uneinheitlich“. Oft haben sie gelernt, sich so sehr auf Andere einzustellen, dass sie gar keine genaue Vorstellung ihrer eigenen Identität mehr haben.

Die gleichzeitige Ausprägung von ADHS und ASS verstärkt die Herausforderungen im Alltag erheblich:

  • Kognitive und sensorische Überlastung: Menschen mit AuDHS berichten häufig von einer ständigen Flut an Gedanken, Eindrücken und Empfindungen, die sie als überwältigend erleben. Sie können sich zwar in einzelne Themen tief (Hyperfokus) vertiefen, verlieren dabei jedoch oft das Gefühl für eigene Bedürfnisse wie Hunger oder Erschöpfung.
  • Soziale Schwierigkeiten: Die Kombination aus impulsivem Verhalten (ADHS) und Problemen in der sozialen Interaktion (ASS) erschwert Freundschaften, Partnerschaften und das Arbeitsleben. Betroffene erleben häufig Missverständnisse, soziale Isolation und Ablehnung.
  • Organisation und Struktur: Während Menschen mit ASS oft ein hohes Bedürfnis nach Struktur und Vorhersehbarkeit haben, fällt es ihnen durch die ADHS-Komponente schwer, diese Strukturen selbst aufrechtzuerhalten. Das führt zu ständiger Überforderung und Stress.
  • Emotionale Belastung: Die psychosoziale Belastung ist bei AuDHS besonders hoch. Studien zeigen, dass Betroffene häufiger unter Depressionen, Angststörungen und Schlafproblemen leiden als Menschen mit nur einer der beiden Diagnosen. Auch das Risiko für Arbeitslosigkeit, finanzielle Schwierigkeiten und ein geringeres Vertrauen in die eigene Zukunft ist erhöht.

  • Sensorische Empfindlichkeit: Viele erleben eine nochmals erhöhte Sensibilität gegenüber Geräuschen, Licht oder Gerüchen, was den widersprüchlichen Alltag zusätzlich erschwert.

Ausbalancieren der Gegensätze

Der Psychiater und ADHS-/Autismus-Experte Dr. Khurram Sadiq bezeichnet das Ko-Existieren von ADHS und Autimus in einer Person als eine Art neuer bipolarer Störung – so gegensätzlich und zerissen fühlen sich Betroffene: Auf der einen Seite zerrt die Ordnung (Autismus), auf der anderen Seite die Anarchie (ADHS). Dabei lösen sich die Symptome gegenseitig nicht auf, sondern werden permanent ausbalanciert. Manchmal gewinnt die Autismus-Spektrum-Störung, manchmal die ADHS.

Das kostet Betroffene große Mengen an Lebensenergie, vor allem, wenn sie die damit verbundenen Dynamiken noch nicht verstehen. Eine gute Alltagsstruktur, geregelter Schlaf und Strategien zur Stressbewältigung sind für AuDHS-Betroffene daher noch wichtiger als für ‚Nur-ADHS-‚ oder ‚Nur-Autismus-Betroffene‘ ohnehin schon.

Wem die Symbiose der beiden neurologischen Ausprägungen gelingt, der / die erlebt, dass der Autismus die ADHS daran hindert allzu weit in die Erfahrungsextreme zu gehen. Auf der anderen Seite sorgt die ADHS dafür, dass der Autismus mit seinem Drang zum (sozialen) Rückzug allzu sehr übertreibt.

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